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DEEP DIVE ZU CHICAGO BEARS HC BEN JOHNSON

rokiknows

Nachdem die Chicago Bears mit 17 Kandidaten Interviews für den Head Coaching Job geführt haben, konnten sie diese Woche ihren neuen Cheftrainer vorstellen. 


Mit Ben Johnson konnten sie einen der aufstrebensten Offensivtrainer der Liga verpflichten. Alles in der Hoffnung, dass seine Zusammenarbeit mit Quarterback Caleb Williams das Team wieder wettbewerbsfähig in der hart umkämpften NFC North machen könnte. 


Johnson wurde verfügbar, nachdem die Lion in der Divisional Round gegen die Washington Commanders verloren. 


Die Bears führten zwar eine breit angelegte Suche nach einem neuen Coach durch und führten offiziell Gespräche mit 17 Kandidaten, doch Johnson galt von Anfang an als einer der Favoriten. 


“Egoistisch betrachtet, möchte ich einen Offensiv-Minded Coach, damit ich mich mit ihm entwickeln und für die nächsten 15 Jahre zusammenarbeiten kann”, sagte Caleb Williams im “St. Brown Podcast” mit Lions Wide Receiver Amon-Ra St. Brown und seinem Bruder Equanimeous, der mal bei den Bears spielte. 


“Wenn es Ben ist..” fügte Williams dann lächelnd hinzu. 


Mit der Zusage beim Bears-Job schreibt Ben Johnson übrigens Geschichte, die über 60 Jahre zurückreicht: Er wird der erste Koordinator der Detroit Lions seit 1963, der seinen Posten verlässt, um eine Stelle als Head Coach anzutreten. Damals verliess der ehemalige Defensive Coordinator Don Shula Detroit, um Head Coach der damaligen Baltimore Ravens zu werden. Shula war 1961 und 1962 Defensive Coordinator in Detroit und führte die Lions in diesen beiden Jahren zu Playoff-Teilnahmen. 


Shula wurde mit 33 Jahren der jüngste Head Coach in der NFL, als er Weeb Ewbank in Baltimore ablöste. Als Head Coach gewann Shula 75% seiner Spiele und führte das Team in zwei Championship-Games, darunter den Super Bowl III, den Baltimore als 18 Punkte Favorit gegen die New York Jets verlor. Der grösste Erfolg von Shulas Karriere kam jedoch, nachdem er Baltimore verlassen hatte und in Miami coachte, wo er in den Jahren 1871 und 1973 zwei Super Bowls in Folge gewann. 


Wie Shula ist Johnson noch jung (38 Jahre alt) und hat wahrscheinlich eine lange Karriere als Coach vor sich. Shula war 33 Jahre lang Head Coach und beendete seine Karriere als erfolgreichster Head Coach der Geschichte. 


Das die Franchise den begehrtesten Coach verpflichten konnte, sagt viel darüber hinaus, was sie Johnson anbieten konnte. Der Ausgangspunkt ist natürlich Caleb Williams, aber auch ca. 66 Millionen Dollar an Cap Space, der zehnte Pick im Draft im April und zwei Zweitrundenpicks (was Chicago drei Picks unter den ersten 42 sichert). Trotz dieser Ressourcen musste Johnson aber auch mit der Machtstruktur des Teams einverstanden sein.


Als sechster Head Coach seit 2012 und fünfte Verpflichtung seit dem Amtsantritt von George McCaskey als Chairman liess sich Johnson nicht von der hohen Fluktuation in Halas Hall abschrecken. 


Johnson war in den vergangenen drei Seasons in Detroit der Play-Caller für eine der besten Offensiven der NFL. Unter seiner Leitung verwandelte sich die Lions-Offensive in ein Team, das als Super Bowl Contender galt. Drei der vier punktreichsten Seasons in der 95-jährigen Geschichte der Franchise wurden unter Johnson erreicht, darunter eine Rekordseason mit 564 Punkten im Jahr 2024. In der Regular Season erzielte Detroit in zehn Spielen 30 Punkte oder mehr, davon sechsmal 40 Punkte und zweimal 50 Punkte. Die Lions brachen 2024 mit einer Punktedifferenz von Plus 222 ebenfalls einen Franchise-Rekord, der seit 1934 bestand. 


Solche Zahlen hat es in der Geschichte der Bears nie gegeben. Unter Johnson landeten die Lions dreimal unter den Top Vier in der Gesamtoffensive. Die Bears schafften das zuletzt 1977. Die Lions führten 2024 die Liga im Scoring an. Die Bears haben das seit 1965 nicht mehr geschafft, als die NFL noch aus zwölf Teams bestand. Chicago hatte in diesem Jahrtausend nur einmal eine Top 10 Offensive, in 2013, als sie den achten Platz belegten. 


Ben Johnson, der von 2004 bis 2007 als Walk-On-Quarterback an der University of North Carolina spielte, begann seine Trainerkarriere 2009 als Graduate Assistant am Boston College (Verbindung zu General Manager Ryan Poles, der auch an diesem College war). 2012 kam er als Offensive Assistant bei den Miami Dolphins erstmals in die NFL. 2019 schloss er sich den Detroit Lions unter Matt Patricia als Offensive Quality Control Coach an, bevor er Tight Ends Coach wurde. Anschliessend wurde er unter Dan Campbell zum Passing Game Coordinator und später zum Offensive Coordinator befördert. 


Die von Johnson geführte Offensive der Lions erzielte seit seiner Ernennung zum OC im Jahr 2022 durchschnittlich 29 Punkte pro Spiel - der höchste Wert in der NFL in diesem Zeitraum. Die 33.2 Punkte pro Spiel, die sie 2024 erzielten, führten die Liga an und stellten einen Seasonrekord der Franchise dar. 


Während sich Johnson durch die Coaching-Staffs am Boston College sowie bei den Dolphins und Lions hocharbeitete, entwickelte er seine eigenen Strategien und kombinierte dieses Wissen mit einem aussergewöhnlichen Gespür für Play-Calling. 


Johnsons Ausgangspunkt für seine Entwicklung dieser Fähigkeiten war seine Zeit in North Carolina, wo er sich in die Offensive von John Shoop verliebte. Im Laufe der Jahre verfeinerte er den Ansatz, ergänzte ihn und entwickelte schliesslich seine eigene Offensive. Ein grosser Einfluss für ihn war der ehemalige Coach Mike Martz, der die Offensive der Rams leitete (als sie als “The Greatest Show on Turf” bekannt waren) und 2010 und 2011 Offensive Coordinator der Bears war. 


Martz war aus der Ferne ein grosser Einfluss, auch wenn die beiden nie direkt zusammenarbeiten. Sie lernten sich bei einem Workshop in Miami kennen. Johnson sammelte Elemente der West-Coast-Offensive als Graduate Assistant beim Boston College unter Kevin Rogers und als Assistent von Darrell Bevell in Detroit. 


Er übernahm Philosophien von Martz sowie von der Offensive, welche die Colts und Broncos um Hall of Fame Quarterback Peyton Manning aufgebaut hatten. Das ganze vermittelt durch Adam Gase und Clyde Christensen bei den Dolphins. 


Shoop, der von 2001 bis 2003 ebenfalls Offensive Coordinator der Bears war, prägte Johnsons grundlegende Theorie mit dem Satz: “Wir wollen, dass die gleichen Dinge unterschiedlich aussehen und unterschiedliche Dinge gleich aussehen.”


Unberechenbarkeit. Die Idee der Defensive eine bekannte Formation zu zeigen, dann jedoch etwas Unerwartetes zu tun, oder in einer exotischen Formation aufzustellen, welche die Defensive alarmiert, nur um dann zu einem simplen Standardspielzug überzugehen. 


Coaches, die mit Johnson zusammengearbeitet haben, erwähnten immer wieder sein extrem feines Gespür für das Spiel. Defensiven überraschen Offensiven oft. Manchmal dauert es zu lange, bis die Play-Caller reagieren, oder sie tun es gar nicht. Das leidige Thema in Chicago unter Matt Nagy, Luke Getsy oder Shane Waldron. 


Bei Johnson sah das bei den Lions anders aus. Er passte sich schnell an. Die Defensiven warfen ihm alle möglichen unterschiedlichen Looks entgegen und er passte sich sofort an. 


Das klappte nur, weil er von verschiedenen “Mentoren” etwas mitgenommen hat. Die wohl grössten Einflüsse sind die West-Coast-Offensive von Rogers und Bevell, die “Manning-

Offensive”, die er von Gase und Christensen lernte und natürlich die Martz’ “Digit Passing Attack”. Alles unter dem Mantel der Offensive von John Shoop. 


Die Lions traten in der Vergangenheit etwa mit 20 Formationen an, aus denen sich mehrere Spielzüge ableiten lassen. In der darauffolgenden Woche tauschten sie die meisten dieser Formationen aus und präsentieren etwas völlig anderes. 


In einigen Beispielen zeige ich die Variationen der Formationen von Johnson. Aus Copyright-Gründen wird es jedoch nur Screenshots der jeweiligen Spielzüge geben.



Beispiel 1 im Divisional Playoff Game gegen die Washington Commanders: 


Aus dieser Formation entsteht ein Pitch nach Links (1) zum Runningback (2), der den Ball mit einem Shovel-Pass zum Receiver (3) spielt.



Interessanterweise wird der Defender (eingekreist) nicht geblockt. Die OLine pullt nach rechts.



Nr. 73 von der rechten Guard Position verschiebt auf die linke Seite und öffnet die Gasse für den Receiver.



Einfache 20 Yards Raumgewinn.


Beispiel zwei einige Wochen zuvor gegen die San Francisco 49ers

Wieder ein Pitch, nur diesmal zuerst ein Pass auf den Receiver, der den Ball an Nr. 3 übergibt.


Dank dem Tight End (blau eingekreist), bekommt der Receiver (3) eine schön servierte Lane.


Beispiel 3 gegen die Buffalo Bills. Eine ähnliche Formation, wo der Wide Receiver (2) den Ball bekommt. Am Ende ist es der Runningback (3), welcher den Pitch fängt.



Beispiel 4 gegen die Los Angeles Rams

Optik als Run-Play auf die linke Seite. OLine blockt entsprechend.


Tight End zieht nach links und wendet, als der Quarterback den Ball nicht an den Runningback, sondern dem Receiver übergibt.



Solche Beispiele findet man gegen die Tampa Bay Buccaneers, Dallas Cowboys, Chicago Bears etc..


Was das Laufspiel angeht, callt Ben Johnson mehrheitlich „Zone“ oder „Outside Zone“ Run.


Beispiel 5 gegen die Washington Commanders.

Natürlich muss bei den Bears dafür erstmal die OLine verbessert werden. Aber mit Darnell Wright hat man auf der rechten Seite bereits einen guten Baustein. 


Was die Offensiven von Ben Johnson sehr gut machen, sind die Zonen zu besetzen. Durch die Konzepte wissen die Receiver, wo sie wie zu stehen haben. 


Nicht selten kreierte er für seinem Quarterback mehrere Optionen. 


Eine Eigenschaft die Caleb Williams gut kommen wird, kannte er dies in seinem ersten Jahr praktisch gar nicht.




Simple Formationen




Eine grosse Rolle spielen auch die Motions. Keine verrückten Methoden wie beispielsweise in Miami, aber genügend, um Defensiven zu verwirren und dem Quarterback Pre-Snap die Möglichkeit zu geben, bereits die Defensive als Zone- oder Man-Coverage zu identifizieren.



Mit einer kleinen Motion (blau) wurde die Defensive der Jaguars ausgehebelt und Cover

Two geschlagen.




Nutzt den Speed der Motion, um Defensive auseinanderzuziehen. Mit den Linebackern stehen acht Spieler näher an der Line of Scrimmage (sogenannte stacked box).



Natürlich darf das „Stumble-Play“ nicht fehlen. Formation lässt vermuten, dass mit „Heavy-Play-Action“ ein Run bevorsteht.



Durch den Shift entsteht aber das hier. Zusätzlich lässt man es so aussehen, als würde der Quarterback stolpern.




Johnson wird natürlich einen Teil seines Playbooks mit nach Chicago bringen, aber er erklärte auch, dass er ein neues entwickeln möchte, das zum Team passt. Was die Lions in Detroit gespielt haben, wird nicht unbedingt mit der Offensive der Bears funktionieren. 


Johnson kommt in erster Linie nach Chicago, weil er an Caleb Williams glaubt. 


Er sagte ihm aber auch direkt: “Das wird deine Offensive”. Man wird um ihn herum aufbauen und ihn auch testen. 


Noch ist es zu früh und wir können unmöglich sagen, wie das Scheme aussehen wird, wie Caleb Williams unter Ben Johnson spielen wird oder wie man es schaffen wird, die Offensive Line und das Laufspiel zu verbessern. 


General Manager Ryan Poles sagte, dass ein Plan zur Entwicklung des Quarterbacks ein entscheidender Bestandteil des Bewerbungsprozesses gewesen ist. Ben Johnson muss also einen vorgelegt haben, der erfolgsversprechend ist. 


Mit J.T. Barrett bekommt Williams einen Quarterback-Coach, der mit Johnson bereits in Detroit zusammengearbeitet hat. Er ist zwar relativ neu im Coaching-Beruf, hat sich jedoch das Vertrauen von Johnson verdient. Diese Beziehung wird für Caleb Williams wichtig sein, wenn er in sein zweites Jahr in der NFL geht. 


Teams haben die Folge davon zu spüren bekommen, einen Rookie-Quarterback nicht ausreichend zu unterstützen. Beispiele reichen von Trevor Lawrence, QB der Jacksonville Jaguars, der scheinbar generationales Talent in durchschnittliche Leistung umsetzte, bis hin zu der langen Liste von Quarterbacks, welche von den New York Jets gedraftet und entweder dauerhaft oder vorübergehend ruiniert wurden (glücklicherweise haben sich Geno Smith und Sam Darnold inzwischen gefangen). 


Was kann man nach dieser Kurzanalyse also von Ben Johnson und der Offensive erwarten?


Möglicherweise eine Zunahme von Play-Action Spielzügen. Die Lions belegten damit mit 36.6% den ersten Platz in der Liga. Die Bears lagen mit nur 17% auf Platz 30. Dafür könnten die Shotgun-Spielzüge drastisch zurückgehen. 


Dass Caleb Williams mit Veränderungen umgehen kann, zeigt seine Zeit im College unter Lincoln Riley. Er konzentrierte sich weniger auf ein spezifisches Scheme und setzte die Anforderungen gut um. 


Anstatt ein “One-Size-Fits-All” System aufzuzwingen, passt Johnson seine Scheme an die Fähigkeiten seines Quarterbacks an. Etwas ähnliches haben wir in Detroit gesehen. Man kann grundsätzlich über Jared Goff denken wie man will, aber er hat sein Team erstmals in der Franchise-Geschichte zu zwei aufeinanderfolgenden Playoff-Teilnahmen geführt. Dank dieser Anpassungsfähigkeit von Johnson, kann man in Chicago ausnahmsweise mal etwas lockerer in die Zukunft blicken. 


Ben Johnson wird selber die Play‘s callen und hat sich für den offensiven Teil des Coaching Staffs einige interessante Leute geholt.


Der ehemalige Tight End Coach der Denver Broncos, Declan Doyle wird der Offensive Coordinator. Mit 28 Jahren, wird er der jüngste OC in der NFL sein.


Doyle war in den letzten zwei Jahren bei den Broncos im Coaching Staff von Sean Payton. Davor arbeitete er von 2019 bis 2022 als Offensive Assistant bei den New Orleans Saints und davor von 2016 bis 2018 als Offensive Student Assistant an der University of Iowa.


Daneben umfasst das neue Team der Offense Antwaan Randle El als Passing Game Coordinator / Wide Receiver Coach und J.T. Barrett als Quarterback Coach.

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